Finanzausgleich: Finanzausgleich in der Praxis

Finanzausgleich: Finanzausgleich in der Praxis
Finanzausgleich: Finanzausgleich in der Praxis
 
Die Finanzverfassung eines Staates umfasst alle Regeln, nach denen die staatlichen Aufgaben und die dazu notwendigen Einnahmequellen zwischen den föderalen Ebenen aufgeteilt werden. Die Erkenntnisse der Föderalismustheorie zeigen, dass ein föderaler staatlicher Aufbau eine wichtige Voraussetzung für die effiziente Bereitstellung von öffentlichen Gütern ist. Eine Vorbedingung für eine funktionierende Teilung der fiskalischen Verantwortung ist eine klare Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen. Dazu muss aber auch ein Mindestmaß an finanzieller Unabhängigkeit der einzelnen Körperschaften durch eigene Einnahmequellen treten.
 
 Verteilung der Ertragskompetenz
 
Das Grundgesetz bestimmt die Steuer- und Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Im Hinblick auf die Verteilung des Steueraufkommens sind zwei Systeme zu unterscheiden. Beim Trennsystem fließt eine Steuerart ausschließlich einer föderalen Ebene zu. Diese verfügt dann in der Regel auch über die Gesetzgebungskompetenz. Beim Verbundsystem fließt das Aufkommen einer Steuer in einen Pool, der dann auf verschiedene Ebenen nach einem auszuhandelnden Schlüssel verteilt wird.
 
Im Grundgesetz war ursprünglich durch eine exklusive Zuordnung von Steuern an Bund oder Länder das Trennsystem der Regelfall. Heute ist dies weitgehend zugunsten des Verbundsystems aufgegeben: Die ertragsstärksten Steuerarten Lohn- und Einkommensteuer, Mehrwertsteuer und Körperschaftsteuer sind Gemeinschaftsteuern, deren Aufkommen auf Bund und Länder (und teilweise Gemeinden) aufgeteilt wird. Dies hat auch ein gemeinsames Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Bundesrat zur Folge, was in der Vergangenheit die Durchsetzung von Reformvorhaben oftmals verzögert oder sogar ganz verhindert hat.
 
 
Das Grundgesetz verpflichtet in Art. 106, Abs. 3 den Gesetzgeber auf die Zielsetzung, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Große Unterschiede in der Finanzkraft der Bundesländer sind durch Ausgleichszahlungen zu verringern. Bereits die vertikale Einnahmeverteilung (vertikaler Finanzausgleich) zwischen Bund und Ländern hat Auswirkungen auf die relative Finanzkraft von Bundesländern. So erhalten Bundesländer mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Finanzkraft gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil einen überproportionalen Anteil des Umsatzsteueraufkommens. Das eigentliche Instrument zur Angleichung der Länderfinanzkraft ist der Länderfinanzausgleich (horizontaler Finanzausgleich zwischen Gebietskörperschaften derselben Ebene) mit einem Volumen von (1997) 11,9 Mrd. DM. Dabei zahlen die reichen Bundesländer an die armen ungebundene Transfers, bei denen die Empfängerländer frei über die Bestimmung der Gelder entscheiden können. Für die Festlegung dieser Ausgleichbeträge ist die Finanzkraft eines Landes maßgeblich, die auf Basis des Steueraufkommens pro Kopf berechnet wird. Berücksichtigt wird etwa auch die besondere finanzielle Belastung von Stadtstaaten.
 
Der Länderfinanzausgleich wird ergänzt durch Zuweisungen des Bundes an die Bundesländer (Bundesergänzungszuweisungen, Abkürzung BEZ). Im Rahmen der Fehlbetrags-BEZ (Volumen 1997: 5,2 Mrd. DM) finanziert der Bund den ärmeren Bundesländern 90 % des nach dem Länderfinanzausgleich noch verbleibenden Abstands zur durchschnittlichen Finanzkraft. Insgesamt wird so eine Mindestfinanzkraft in Höhe von 99,5 % des Durchschnitts aller Länder erreicht. Außerdem werden Sonderbedarfs-BEZ in Höhe von (1997) 15,5 Mrd. DM gezahlt, etwa für die neuen Länder, sowie Sanierungs-BEZ (3,4 Mrd. DM) zur Haushaltssanierung der überschuldeten Länder Bremen und Saarland. Den Gemeinden fließen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs vor allem von den Ländern Zuweisungen zu (1997: 89,6 Mrd. DM). Neben den Zweckzuweisungen zur Finanzierung bestimmter Ausgaben wie kommunaler Investitionen (39,6 Mrd. DM) gibt es allgemeine Zuweisungen ohne Zweckbindung, unter denen die Schlüsselzuweisungen zum Ausgleich von Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden dominieren (42,0 Mrd. DM).
 
 Kritik
 
Die deutsche Finanzverfassung in ihrer heutigen Gestalt ist reformbedürftig. Hauptkritikpunkt ist die fehlende finanzielle Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften. Aufgrund der großen Bedeutung der Gemeinschaftsteuern können wichtige Steueränderungen nur im Konsens zwischen Bundestag und Bundesrat durchgesetzt werden. Kritisch ist auch die fast vollständige Nivellierung der ursprünglichen Finanzkraft der Länder durch Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen zu betrachten. Damit gehen Anreize für die Bundesländer verloren, durch die Wirtschafts- und Finanzpolitik Steuerquellen zu pflegen und eine übermäßige Verschuldung zu vermeiden. Auch kann ein Bundesland mit hohen Defiziten sicher sein, dass es bei einer Finanzkrise Hilfen über den Finanzausgleich erhält. Dies mindert den Zwang zu einer disziplinierten Haushaltspolitik.

Universal-Lexikon. 2012.

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